Kirche oder weltlicher Wirtschaftsbetrieb

Ich betrete Kirchen nur aus architektonischen Gründen, oder um kurz der Hitze zu entkommen, oder wenn ich – was dankenswerter Weise selten passiert – zu einer Hochzeit oder Taufe eingeladen bin. Ähnlich verhält es sich mit Stiften oder Klöstern. Regelmäßige Besuche einer kirchlichen Einrichtung meide ich wie der Teufel das Weihwasser.

Gestern, bei Regenwetter, war ich wieder einmal in einem Stift, nämlich Klosterneuburg. Dort zur Führung durch den Weinkeller, den weltlichen Teil des Stiftes, wenn man so will. Und wie weltlich! Auch auf der Homepage kann man nachlesen, dass das Stift das älteste und eines der größten Weingüter Österreichs betreibt, die Wirtschaftsbetriebe des Stiftes erwirtschaften insgesamt einen Umsatz von rund EUR 30 Mio. pro Jahr.

Es versorgt mit seinem unterirdischen Biomasse-Heizwerk kommunale Einrichtungen in Klosterneuburg, wie das Krankenhaus, das gesamte Stift wird auch damit geheizt. Nix mehr mit kalten Einzelzellen für die Brüder. Insgesamt macht alles einen sehr modernen, und weltoffenen Eindruck, nicht zuletzt die Homepage.

Dort findet man auf den Seiten über das Weingut unter anderem Folgendes, was ich hier zitieren möchte: „Seit unserer Gründung im Jahr 1114 hat sich im Weingut Stift Klosterneuburg vieles verändert, das Wesentliche jedoch ist gleich geblieben: Unsere Arbeit im Einklang mit der Natur, unser respektvoller Umgang mit Mensch und Umwelt, unsere Offenheit für neue Ideen und unser Streben einzigartige Weine zu schaffen!“

Finde ich insgesamt einen lobenswerten Ansatz und sollte wohl nicht nur für das Weingut des Stifts gelten, sondern auch für den Konvent und den Orden und im Grunde für die gesamte römisch-katholische Kirche (ok, das Streben nach einzigartigen Weinen kann man vielleicht ausklammern).

Der respektvolle Umgang mit Menschen konnte sich rückblickend nicht ganz durchsetzen, wenn man z.B. an den Holocaust denkt. Und die Offenheit für neue Ideen ist in so mancher Hinsicht auch enden wollend – siehe Sex vor der Ehe oder Frauen im Priesteramt. Sobald es ans Eingemachte geht, lässt man lieber alles beim Alten.

Tja, da habt ihr es und wisst jetzt, warum es mich so selten in die Kirche zieht. Zu viel lässt mich zweifeln, hadern und ernüchtern. Wäre die römisch-katholische Kirche so modern wie die Wirtschaftsbetriebe des Stifts Klosterneuburg, wäre ich ihr gegenüber sicher nicht so kritisch. Und vermutlich viele andere Menschen auch nicht.

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