Erlebnis Öffis

Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien sind immer ein Erlebnis und verlangen von mir oft eine große Portion Gleichmut und starke Nerven. Und da meine ich gar nicht Verzögerungen durch schadhafte Fahrzeuge, falsch geparkte Autos oder den Verkehr.

Eher schon die Fahrgäste, die vor den Türen festgewachsen zu sein scheinen – oder wie ein Bekannter diese anzureden pflegt: „Was ist, spielst Gebüsch?“. Oder die, die so laut Musik hören, dass man diese trotz Verwendung von Kopfhörern deutlich hört. Und die Unmengen von Telefonierern, die grundsätzlich stören, ganz speziell aber dann, wenn ich Dinge erfahre, die ich wirklich nicht wissen will. Die Prostata-Untersuchung des Gatten wird genauso besprochen, wie das speibende Kind, die sexuellen Eskapaden des Ex und vieles mehr.
Auch schön, die Rollerfahrer, die nicht Roller fahren, sondern Straßenbahn. Die Roller stehen prinzipiell quer im Gang, was aber eh wurscht ist, wenn der Nachbar unbedingt mit überschlagenen Beinen sitzen muss. Da hat man die Wahl: sich vorbei zwicken und Hose schmutzig machen, drüber steigen und ins Wackeln kommen, oder die Verursacher ansprechen und erstaunte Blicke ernten.

Ich meine die Selbstgespräch-Führer, die oft heftig mit sich diskutieren, die Verwirrten, die laut Vorträge halten oder wüst schimpfen. Die Kartenumdreherin, die so schnell Spielkarten von Rück- auf Vorderseite dreht, dass sie als Kartengeberin im Casino sicher einen Job bekäme. Das kann einem in der U-Bahn mit der Zeit auch irritieren! Weil man sich fragt: wann hilft ihr Tick nicht mehr gegen die Ängste, die eine U-Bahn-Fahrt auszulösen scheint? Wann schreit sie womöglich oder wirft mit den Karten?

Dann gibt es noch die echten Sonderfälle: der Typ der sich das Lippenpiercing – Stift mit 2 Kugeln – aus der Lippe schraubt, um es umgehend durch die Brustwarze zu schieben.

Das Pärchen, wo sie den Kopf ihres Gefährten „laust“ und sich alles in den Mund steckt, was sie dort oben findet. Und das in der Früh; da bin ich schon froh, daheim nicht zu frühstücken und generell einen guten Magen zu haben.

Der Typ, der genüsslich in der Nase bohrt, das Ergebnis am Finger ausgiebig betrachtet, um diesen dann am Vor-Magazin abzuwischen.

Und die Fälle, die auch mit Abstand nicht mit Humor genommen werden können; die, wo man stattdessen lieber alle Verrückten, Grauseligen und Störer ertragen würde, als…

Die alte Frau die unbedingt an einer Stelle ohne Fußgängerübergang über die Straße wollte und gar nicht abschätzen konnte, welch langen Bremsweg die Straßenbahn hat. Das Klingeln, die Vollbremsung, das Geräusch des ausgeschütteten Streusands zur Bremsunterstützung, die Kräfte die auf den eigenen Körper wirken. Und dann der leblose Körper der Frau, halb unter der Straßenbahn und das Gesicht des Fahrers, der mit dem Schock leben muss.

Die Erfahrung die man macht, wenn die U-Bahn eine Vollbremsung macht und das Licht ausgeht. Man steht im Tunnel knapp vor der nächsten Station und weiß, da ist jetzt ein Mensch auf die Schienen gesprungen oder gefallen, und die sind stromführend.

Der Mann der unmittelbar vor einem einen Herzanfall erleidet und die unglaublich langen 5 Minuten bis die Rettung da ist.
Aber zumindest hat er überlebt, im Gegensatz zu den anderen beiden….

5 Gedanken zu „Erlebnis Öffis“

  1. Für ein Landei wie mich immer wieder ein Erlebnis – da fährst ein paar Stationen und kannst nebenbei Soziologie studieren ;-)!

    Like

  2. Frage: Bittte wo gibts den VRR (nur zur Info, will keinen Bus angucken).
    Zum anderen: Fahre ja kaum mit Öffis, nur wenn’s wirklich gar nicht anders geht. Aber die Irren aus den Öffis, laufen ja auch als Fußgeher ‚rum und die andere Hälfte sitzt in Autos. Mit all den Folgen die jeder von uns kennt. Ich bleibe dabei (auch im Wissen, dass man sich selber stets besser einschätzt, weil mit eigenem Hirn beurteilt): 80-85% der menschlichen Kreatur sind – na sag’ns wir mal vorsichtig – nicht das, was man als „auf voller geistiger Höhe“ bezeichnen würde. Daraus ergibt sich automatisch fragwürdiges und mit logischem Verstand nicht nachvollziehbares Verhalten.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar